Kolonie Korea: Japan als Wirtschaftsmotor?

Die koreanische Halbinsel diente für Japan 36 Jahre lang als Kolonie. Im Jahre 1910 annektierten die Japaner Korea und zogen erst 1945, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wieder ab. Das damals noch vereinte Korea war nur eine von vielen japanischen Kolonien. Zur selben Zeit kolonialisierten die Japaner etwa auch Taiwan. Beide Länder gerieten wegen ihrer geographischen Lage in das Visier Japans, das dieser Zeit wirtschaftlich sowie militärisch erstarkte.

Korea galt als Scharnier zwischen Kontinentalostasien und dem insularen Ostasien. Die koreanische Landmasse, insbesondere der Norden, war wirtschaftsstrategisch interessant für Japan, um sich China zu erschließen und an die dortigen, sehr begehrten Ressourcen zu gelangen. Vor allem sollte Korea als Absatzmarkt dienen und insbesondere die japanischen Inseln mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, wie beispielsweise Reis, bereichern.

Doch nicht nur Reis, sondern auch andere Lebensmittel, Rohstoffe und Arbeitskräfte sollten den Bedarf in Japan decken, wo man aufgrund von Wachstum und sozialer Umstrukturierung mit Engpässen kämpfte, die teils zu erheblichen Unruhen führten. Korea konnte den Japanern wichtige Rohstoffe, wie Holz, Kohle, Metalle, Minerale, Baumwolle, Rohseide und das begehrte und lukrative Ginseng bieten. Dieses Angebot an verschiedenen Rohstoffen führte u.a. dazu, dass die Japaner rücksichtslosen Raubbau in den koreanischen Wäldern betrieben. Im Jahre 1920 waren in Korea nur noch 0,3% aller Bergbauminen im Besitz eines Koreaners selbst. Den Rest eigneten sich die Japaner an. Aufgrund einer im Dezember 1910 eingeführten Genehmigungspflicht für Unternehmen, fiel auch der größte Bereich der industriellen Fertigung unter japanische Kontrolle.

Die Industrialisierung

20 Jahre lang war Korea aus diesen Gründen von Interesse für Japan. Um das Jahr 1930 änderte sich diese Intention jedoch und die Koreaner mussten insbesondere für die japanische Schwerindustrie arbeiten. Der Hintergrund dessen war die militärische Aufrüstung Japans, u.a. als Reaktion auf den westlichen Protektionismus. Der Inselstaat befürchtete einen Krieg und bereitete sich auf Kosten koreanischer Arbeitskräfte entsprechend darauf vor. Plötzlich fungierte die koreanische Halbinsel als Investitionsgebiet und ihre Funktion als Absatzmarkt rückte in den Hintergrund. An diesem Punkt startete die von Japan angetriebene Industrialisierung Koreas. Innerhalb von zehn Jahren verdreifachte man die Zahl an Fabrikarbeitern und auch die Zahl der Bau-, Bergwerks-, und Transportarbeiter stieg rasch an.

Ohne den von Japan gesteuerten Ausbau der koreanischen Infrastruktur wäre ein derartiges Wachstum unmöglich gewesen. Zum Ausbau der Infrastruktur gehörten u.a. befestigte Straßen und Bahnlinien, die die relevantesten Städte in Korea miteinander verbanden. In den Küstenorten Busan und Incheon siedelte man zudem Häfen an und baute diese innerhalb kürzester Zeit aus. Allein die verarbeitende Industrie in Korea erlebte während der Kolonialisierung einen Anstieg um beachtliche 10% und damit noch einmal 8% mehr als die Landwirtschaft. Jedoch profitierte die koreanische Bevölkerung selbst unbedeutend wenig von der zusätzlichen Produktion. Führungspositionen und unternehmerische Tätigkeiten blieben fast allein der japanischen Bevölkerung vorbehalten. Zwar stieg das Pro-Kopf-Einkommen in Korea innerhalb von 25 Jahren rapide an, jedoch muss die Weltwirtschaftskrise, Anfang der 1930er Jahre, berücksichtigt werden, die nach Abflachen ein außergewöhnliches Wachstum möglich machte. Außerdem startete man die Industrialisierung Koreas von einem sehr niedrigen Niveau, was es deutlich vereinfachte, ein derartiges Wachstum zu verzeichnen. Das erhöhte Pro-Kopf-Einkommen führte zudem nicht automatisch zu einer höheren Vergütung oder höheren Lebensstandards der Koreaner. Weder für das einfache Volk noch für direkt involvierte Mitarbeiter des Exportsektors. Die Japaner besteuerten kleine Betriebe, vor allem in der Landwirtschaft, nämlich stärker als große Unternehmen.

Man etablierte eine duale Wirtschaftsstruktur. Die Chemie- und Schwerindustrie siedelte man im Norden an, während man sich im Süden weiterhin auf die Landwirtschaft und Leichtindustrie konzentrierte. Später etablierte Japan auch sein modernes und kapitalistisches Stadtbild in Teilen Koreas. Man baute u.a. moderne Warenhäuser und Banken. Das Ziel der japanischen Regierung war es, die koreanische Kolonie und das japanische Volk nicht länger zu separieren und den Austausch untereinander zu fördern. Man erhoffte sich eine engere und effizientere Zusammenarbeit der beiden Völker und wollte somit Kosten sparen.

Die Auswirkungen von Krieg und Instabilität

Im Jahre 1937 bewahrheiteten sich Japans Befürchtungen und der chinesisch-japanische Krieg brach aus. Infolgedessen wurde der Ausbau der Schwerindustrie in Korea weiter beschleunigt. Alle zu entbehrenden Lebensmittel und Rohstoffe exportierte man kurzerhand nach Japan. Korea geriet wenig später an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Gleichzeitig ist Korea 1945 das höchst-industrialisierte Land Asiens, nach Japan selbst.

Als die Japaner die koreanische Halbinsel nach Ende des Zweiten Weltkrieges verließen, mussten sie zwangsweise umfangreiche Infrastruktur und auch Industrieanlagen zurücklassen. Die Nutzung war jedoch sehr eingeschränkt. Die meisten und wichtigsten dieser Anlagen liegen nach Ende des Koreakrieges – der dualen Wirtschaftsstruktur wegen – in Nordkorea und waren somit für die Südkoreaner unzugänglich. Ohnehin wurden die Anlagen für die inhumane Arbeitsteilung während der Kolonialzeit konzipiert. Die wenigen, im Süden des Landes befindlichen Anlagen waren für die neuen Arbeitsverhältnisse in Südkorea somit ungeeignet. Die aller wenigsten Anlagen hielten der „Kriegswalze“ überhaupt stand.

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